Mittwoch, 24. Juni 2015

Gesehen werden

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Zu Schulzeiten hatte ich nicht wirklich einen Lieblingslehrer, aber eine Lehrerin ist mir in sehr guter Erinnerung geblieben: meine Lateinlehrerin. Ich fand sie großartig. Zum einen da sie die lateinische Sprache liebte und diese Liebe hat dazu geführt, mich für diese Sprache zu begeistern. Zum anderen hat sie auch Schüler gelobt und wertgeschätzt, die viel lernen mussten, um trotzdem "nur" eine 2 oder 3 zu erreichen. Mich hat es als Schüler oft geärgert, dass meistens nur die Einserkandidaten gelobt wurden, denn bei diesem Lob stand außer Frage, ob sie dafür gelernt haben oder nicht. Ich selbst war eine typische Durchschnittsschülerin. Ich habe viel lernen müssen, um besser als drei zu sein und manchmal hat es trotzdem nicht gereicht. "Gesehen" wurde ich außer von meiner Lateinlehrerin nicht.
Nun bin ich selbst Lehrerin. Meine Motivation: Es besser zu machen als meine Lehrer. So helfen mir  meine eigenen Erfahrungen als Durchschnittsschülerin sehr dabei, nicht die Perspektive für die Schüler zu verlieren, denen es schwer fällt, die sich anstrengen und trotzdem nur eine "3" erreichen. Ich möchte sie sehen, sie ermutigen und anspornen. Ich denke, dass es mir nicht immer gelingt, sie zu sehen. Aber mir ist es wichtig, jedem Schüler mit Wertschätzung zu begegnen.
Während den letzten zwei Jahren war ich aber nicht nur Lehrerin, sondern auch noch Schülerin, d.h. Referendarin. Ich liebe meinen Beruf. Zu lehren ist meine Leidenschaft und meine Begabung. Aus diesem Grund war es mir auch besonders wichtig, dass auch andere nicht nur sehen, dass ich eine tolle Lehrerin bin, sondern dass sich das auch in der Bewertung der Lehrproben niederschlägt. Wer mich gut kennt, weiß, dass ich sehr ehrgeizig und machmal vielleich sogar einen Hang zum Perfektionismus habe.
Ende letzten Jahres musste ich -so dachte ich- es unter Beweis stellen, dass ich eine tolle Lehrerin bin. Es fanden die Lehrproben in Geschichte statt. Ich wollte so gern die Note eins vor dem Komma haben. Das war mein Ziel. Ich habe mein Bestes gegeben. Es hat trotzdem nur zu einer 2,5 gereicht. Gleich zweimal. Erst in der Klasse 11 und dann in der Klasse 5.
Ich konnte es gar nicht so richtig fassen. Ich habe mit dieser Bewertung sehr gehadert und konnte sie lange Zeit nicht akzeptieren. Als würde auf meiner Stirn geschrieben stehen: 2,5. Durchschnitt. Nicht besser. Nicht schlechter.
Diese Note hat mich mit einem sehr wunden Punkt berührt: Die tiefe menschliche Sehnsucht nach Anerkennung und Wertschätzung. Ich will von Menschen wertgeschätzt und anerkannt werden. Sie sollen sehen, wellche tolle Leistung ich zu vollbringen vermag.
Mir ging es wie dem Wemmick Punchinello. Er wollte von den anderen Wemmicks wertgeschätzt werden, die dies darin zeigten, dass sie sich gegenseitig Sterne an die Kleidung hefteten. Punchinelle hat keine Sterne bekommen, sondern nur Punkte, weil ihm nichts gelang. Er wurde immer verzagter und wollte gar nicht mehr aus seinem Haus heraus. Bis er ein Mädchen namens traf, an der nichts haftete, kein einziger Stern und auch kein Punkt. Sie sah so glücklich aus. Punchinello fragte sie, wie sie das geschafft hatte. "Das ist ganz einfach", erwiderte sie. "Ich besuche jeden Tag Eli." Punchinello ging zu Eli und dort erfuhr er, warum an dem Mädchen die Aufkleber nicht haften bleiben:
Eli sprach ganz sanft zu Punchinello: "Weil sie beschlossen hat, dass es wichtiger ist, was ich denke, als was die anderen denken. Die Aufkleber haften nur, wenn du es zulässt, wenn sie für dich wichtig sind. Je mehr du meiner Liebe vertraust, desto weniger bedeuten dir die Aufkleber der anderen."
Ich selbst möchte so werden, wie das Mädchen Lucia. Ich möchte unabhängig werden, von dem, was die anderen über mich denken. Dies konnte sie nur, weil sie jeden Tag, zu Eli geht und dort immer wieder erfährt, wie sehr er sie liebt, weil er sie erschaffen hat.
An dem Tag als ich zweimal die 2,5 bekommen habe, bin ich unter Tränen zu Gott gekommen. Ich habe ihm gesagt, wie sehr ich mit dieser Bewertung hadere und sie auch nicht annehmen kann. Er hörte es sich an und sagte mir dann mit all seiner Liebe: "Janine, du bist mein geliebtes Kind. Ich sehe deine Bemühungen und deine Arbeit. Ich weiß, dass du dein Bestes gibt. Mach es aber nicht für die Menschen, sondern für MICH. Um mich zu ehren und zu loben. Denn deine Begabungen und Stärken basieren nicht auf deinem Mist, sondern sie kommen von mir. Ich habe dich erschaffen und alles in dir hineingelegt, damit du mich ehrst."
Dieser Zuspruch von Gott vor seinem Thron hat mir eine ganz neue Perspektive gegeben. Gott sieht mich und er liebt mich. Es soll mir genügen, weil seine Wertschätzung mehr als genug ist. Es ist eine grenzenlose Freiheit, von menschlicher Anerkennung und Wertschätzung frei zu werden. Ich bin am Lernen und noch lange nicht frei davon, aber ich merke, dass nicht mehr so viele Sterne und Punkte an mir haften bleiben.

Eure Janine

PS: Punchinello und Lucia sind die Protagonisten des Buches "Du bist einmalig" von Max Lucado.